Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich verkündeten am 24. Dezember nach intensiven und harten Verhandlungen die Einigung über ein Handels- und Kooperationsabkommen zwischen den beiden Wirtschaftsräumen, das nach der Übergangsperiode ab Anfang 2021 in Kraft treten soll. Damit wird ein harter Bruch der wirtschaftlichen Beziehungen abgewendet.
Die wichtigsten Details daraus haben wir kurz für Sie zusammengefasst:
- Handel mit Waren
- Finanzdienstleistungen
- Level Playing Field
- Streitbeilegungsmechanismus
- Fischerei
- Güterverkehr
- Datenflüsse
- Energie
- Dienstleistungen
- Geschäftsreisen
- Gesetzesvollzug und Strafverfolgung .
Handel mit Waren
Das Abkommen stellt sicher, dass die meisten Waren, die zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (VK) gehandelt werden, nicht mit Zöllen oder Quoten belegt werden. Allerdings werden exportierende Firmen ab 1.1.2021 mit einer Reihe von regulatorischen Hürden konfrontiert, die es teurer und aufwändiger machen, Geschäfte zu machen.
Zölle
Der Austritt des VK aus dem europäischen Binnenmarkt am 1. Januar wird auch mit einem Freihandelsabkommen zu mehr Zollbürokratie für beide Seiten führen. Im Abkommen verpflichten sich die EU und das VK weitgehend dazu, internationalen Praktiken zur Minimierung von Zollkosten für Unternehmen zu implementieren und die Zollbürokratie möglichst gering zu halten. Sowohl das VK als auch die EU haben angekündigt, Erleichterungsmaßnahmen in div. Bereichen und für bestimmte Warengruppen zu implementieren.
Ursprungsregeln
Unternehmen werden zukünftig den Ursprung ihrer Exporte nachweisen müssen, um sich für den zollfreien Zugang zu qualifizieren. Es wird Grenzen dafür geben, welcher Anteil der Waren aus im Ausland hergestellten Teilen bestehen darf, wobei für die Automobilindustrie spezielle Einschränkungen gelten (Benzin- oder Dieselfahrzeuge: min. 55% lokaler Anteil | Elektro- und Hybridfahrzeuge min. 40% lokaler Anteil, ab 2026 min. 45% | Batterien min. 30% nationaler Anteil, ab 2026 min. 50%)
Prüfung und Zertifizierung
Das Fehlen eines Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungen bedeutet, dass die Zertifizierung für den Verkauf im jeweiligen Wirtschaftsraum nur von Aufsichtsbehörden des jeweiligen Wirtschaftsraums vorgenommen werden kann, was ein potenziell großes Handelshemmnis darstellt.
Landwirtschaftliche Güter
Das Freihandelsabkommen umfasst ebenso den Handel mit landwirtschaftlichen Gütern (keine Zölle, keine Quoten), jedoch gibt es kein Äquivalenzabkommen zu phytosanitären Regeln was bedeutet, dass Agrar- und Lebensmittelexporte von Gesundheitszertifikaten begleitet werden müssen, und an der Grenze gesundheitlichen und phytosanitären Kontrollen unterzogen werden. Beide Seiten werden in Zukunft ihre eigenen Hygienestandards beibehalten.
Finanzdienstleistungen
Der Deal bietet wenig Klarheit für die Finanzbrache, da er keine Entscheidung über die sogenannte Äquivalenz, die es Firmen erlauben würde, ihre Dienstleistungen im jeweils anderen Wirtschaftraum zu verkaufen, enthält. Zusagen zum Marktzugang sind aktuell noch nicht enthalten und sollen Teil weiterführender Verhandlungen sein. Man verständigte sich jedoch auf eine verstärkte Zusammenarbeit in der Finanzaufsicht, die in einem Memorandum of Understanding bis März vereinbart werden soll.
Level Playing Field
Im Abkommen verpflichteten sich beide Seiten, ihre Umwelt-, Sozial-, Arbeits- und Steuertransparenzstandards beizubehalten, um einen fairen Wettbewerb in beiden Wirtschafträumen zu gewährleisten. Das Abkommen enthält keine Klauseln, die das VK dazu zwingen, seine Standards auf die der EU abzustimmen.
Dafür wurde ein Ausgleichsmechanismus vereinbart, der jede Seite berechtigt, Abweichungen mit unilateralen Zöllen – in Umfang und Dauer auf unbedingt Notwendiges und Verhältnismäßiges beschränkt – auszugleichen. Diese Maßnahmen sollen zukünftig der Schiedsgerichtsbarkeit eines unabhängigen Gremiums unterliegen, nicht jedoch dem Europäischen Gerichtshof.
Das Abkommen sieht darüber hinaus Richtlinien für Firmen- und Bankenrettung vor und verpflichtet beide Seiten zur Offenlegung von gewährten Subventionen.
Streitbeilegungsmechanismus
Streitigkeiten über das Abkommen sind mithilfe eines unabhängigen Schiedsgerichts zu klären, das ein Weisungsreicht gegenüber der EU und dem VK hat. Bei Nichterfüllung der Weisungen hat die andere Seite das Recht “Verpflichtungen aussetzen“, was bedeuten könnte, dass ein Teil des Zugangs oder der Zusammenarbeit blockiert wird. Bei „ernsthaften wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder ökologischen Schwierigkeiten“ kann jede Seite mit zeitlich begrenzten Maßnahmen reagieren.
Fischerei
Im Abkommen einigte man sich darauf, dass über die kommenden fünf Jahre insgesamt 25% der derzeitigen EU-Fangquoten in britischen Gewässern britischen Fischern zufallen. In einer Übergangszeit von fünfeinhalb Jahren haben sich die beiden Seiten verpflichtet, die gegenseitigen Zugangsrechte zu den Gewässern der jeweils anderen Seite unverändert beizubehalten. Im Anschluss daran wäre die EU berechtigt, Zölle auf Fisch zu erheben, wenn ihr Zugang zu britischen Gewässern eingeschränkt wird.
Güterverkehr
Beide Seiten verpflichten sich im Abkommen zu einem „guten und effizienten Management der Visa- und Grenzregelungen für den Güterverkehr, insbesondere an der Grenze zwischen Großbritannien und der EU“ und zu einer „angemessenen Erleichterung der Einreise und des Aufenthalts“ von Lkw-Fahrern.
Datenflüsse
Das Abkommen beinhaltet eine temporäre Lösung, um den Datenfluss zwischen der EU und Großbritannien aufrechtzuerhalten, bis die EU eine Äquivalenzentscheidung für Datentransfers getroffen hat. Persönliche Daten, die während dieser Übergangszeit in das VK transferiert werden, sollen nach EU-Recht nicht als Transfer in ein Drittland betrachtet werden. Beide Seiten verpflichteten sich, die hohen Datenschutzstandards aufrechtzuerhalten und „grenzüberschreitende Datenflüsse zur Erleichterung des Handels in der digitalen Wirtschaft“ zu gewährleisten, ohne Grenzen zu setzen, wo Daten gespeichert oder verarbeitet werden können.
Diese Überbrückungszeit beginnt am Tag des Inkrafttretens des neuen Abkommens für maximal sechs Monate bzw. bis die EU eine Äquivalenzentscheidung getroffen hat.
Energie
Das VK wird zukünftig keinen Zugang zum Energiebinnenmarkt der EU haben. Neue Vereinbarungen zum Handel über die Verbindungsleitungen sind bis Frühjahr 2022 zu erwarten. Zudem beinhaltet das Abkommen Garantien für die Sicherheit der Energieversorgung.
Großbritannien ist nicht mehr Teil des EU-Emissionshandelssystems, aber beide Seiten haben sich darauf geeinigt, in Zukunft bei der Bepreisung von Kohlendioxid zu kooperieren und eine Verknüpfung ihrer jeweiligen Systeme zu erwägen. Das Abkommen würde jedoch ausgesetzt werden, wenn eine der beiden Seiten die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen verletzt.
Dienstleistungen
Das Abkommen sieht keine automatische, gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen vor. Berufsgruppen wie Ärzte, Krankenschwestern, Zahnärzte, Apotheker, Tierärzte, Ingenieure oder Architekten (Liste nicht umfassend) müssen ihre Qualifikationen separat anerkennen lassen.
Geschäftsreisen
Die EU und das VK haben sich darauf verständigt, dass für kurzfristige Geschäftsreisen künftig weder eine Arbeitserlaubnis noch eine wirtschaftliche Bedarfsprüfung notwendig sein wird. Die Details zur zukünftigen Einreise bei Geschäftsreisen ins VK haben wir auf wko.at unter ‚Post-Brexit: Das müssen österreichische Unternehmen bei UK-Geschäften berücksichtigen‘ für Sie zusammengefasst.
Gesetzesvollzug und Strafverfolgung
Das Abkommen ermöglicht die weitere Zusammenarbeit zwischen der EU und dem VK, insbesondere im Rahmen von Ermittlungen gegen Terrorismus und bei Schwerverbrechen, einschließlich des Austauschs von DNA, Fingerabdrücken und Fluggastdaten. Das VK verliert jedoch seine Mitgliedschaft in Europol und Eurojust.
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