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Britischer EU-Austritt

Beigetreten sind die Briten am 1. Januar 1973, damals noch in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit zwölf Mitgliedern. Das Brexit-Votum – und damit veränderte Spielregeln im Umgang mit dem drittwichtigsten Exportmarkt Deutschlands nach den USA und Frankreich – trübte bis dato die Stimmung des Wirtschaftsbereichs Logistik im 2. Quartal 2016 jedoch nicht – ganz im Gegenteil.

Autorin: PI/Berenika Sterba

Der Logistik-Indikator, der im Mai 2016 erhoben wurde, zeigt nach drei Quartalen der Unentschlossenheit wieder eindeutig nach oben. Er erreicht sogar den optimistischen Wert aus dem Juni 2015 – so der Kommentar von  Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik (BVL).

An den Brexit schienen die Logistiker bei der Erhebung aber nicht geglaubt zu haben:   sowohl die Einschätzung der aktuellen Lage als auch die Erwartungen für die Zukunft in Industrie, Handel und Logistikdienstleistung war gleichermaßen nach oben gerichtet – sowohl in der kurzen Dreimonatsperspektive als auch beim längerfristigen Blick auf die kommenden zwölf Monate. Mit Ausnahme des Seefrachtbereichs berichten die Dienstleister von insgesamt guter Auftragslage und insbesondere von einem starken Auftragseingang aus dem Ausland. Industrie und Handel spüren bei steigender Nachfrage eine Verknappung der Logistikkapazitäten.

Anders als noch im ersten Quartal gehen die Logistikdienstleister davon aus, dass Personal eingestellt werden muss. Industrie und Handel, die vor drei Monaten schon recht optimistisch gestimmt waren, signalisieren nochmals verstärkten Personalbedarf. Nicht zuletzt bei der Suche nach qualifiziertem Personal setzen die Unternehmen des Wirtschaftsbereichs verstärkt auf Markenführung. Die Antworten auf die Zusatzfrage zum Logistik-Indikator zeigt: Der Aufbau und die Pflege von Unternehmensmarken ist als strategisches Thema erkannt und wird überwiegend auf Top-Managementebene vorangetrieben. So ist ein einheitlicher Unternehmensauftritt mittlerweile fast selbstverständlich. Führungskräfte sind mit dem Unternehmensleitbild vertraut und die Mitarbeiter werden als Botschafter ihres Unternehmens und der Marke geschätzt.

Spitzenplatz Logistik in der EU?
Mit dem Austritt wird sich der Logistik-Indikator im kommenden Quartal wohl ändern. Die BVL nimmt das Ergebnis des EU-Referendums in Großbritannien mit Sorge zur Kenntnis und wertet es als schlechte Nachricht für Wirtschaft und Logistik in Deutschland und Europa.

Von der Entscheidung Großbritanniens, aus der EU auszutreten, wird auch die deutsche Wirtschaft betroffen sein. Zwar werden die Warenströme nach dem EU-Austritt zunächst weiterfließen wie bisher, da die Verträge zwischen Großbritannien und seinen Handelspartnern neu verhandelt werden müssen. Dafür ist ein Zeitraum von zwei Jahren vorgesehen. Doch danach sind aus Sicht der BVL-Experten viele unterschiedliche Szenarien möglich:  ein deutliches Wachstum des Wirtschaftsbereichs Logistik in Deutschland oder ein weiteres Auseinanderfallen der Europäischen Union.

BVL-Vorstandsvorsitzender Klinkner betont: „Die EU-Mitgliedschaft war und ist der richtige Weg. Die EU hat sich im Jahr 2015 mit 17 % Anteil am globalen BIP zu einem der stärksten Wirtschaftsräume der Welt entwickelt – auf Augenhöhe mit den USA und China.“

Zur Logistik sagt er: „Die Logistik nimmt in Europa Spitzenplätze ein – auf Augenhöhe mit der Metallverarbeitung (1,2 Billionen Euro Jahresumsatz), der Lebensmittelwirtschaft (900 Milliarden Euro) und der Automobilindustrie (800 Milliarden Euro). Deutschland, BeNeLux und Frankreich haben Schlüsselpositionen in der Logistik in Europa, die skandinavischen Länder sind im Markt bestens positioniert und die logistischen Dienstleistungen in Polen sind exzellent. Diese Vorteile im weltweiten Wettbewerb sollten die Mitgliedsstaaten gemeinsam weiter ausbauen.“

Auch der Vorsitzende der BVL-Geschäftsführung, Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, betont die Bedeutung einer EU-Mitgliedschaft: Der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Allein der Logistik-Markt Europa umfasst rund 960 Milliarden Euro Umsatz. Daran hat Deutschland mit 25 % einen hohen Anteil. Das liegt nicht nur an der geografischen Lage im Herzen Europas – Deutschland nimmt eine internationale Spitzenposition in Infrastrukturqualität und Logistiktechnologie ein. [BS]

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