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Chinas drei große Initiativen: 4. Industrielle Revolution und Zeitenwende

Mittels der „One Belt, One Road Initiative“ sollen die Märkte entlang von strategischen Handelsrouten entwickelt und ausgebaut werden. „Internet Plus“ und „Made in China 2025“ sollen den Fertigungsbereich fördern.  

Das Land der Mitte sucht dringend nach neuen Wachstumsmöglichkeiten für die eigene Wirtschaft. Der anwachsende Schuldenberg, Überkapazitäten in traditionellen Bereichen wie Kohle, Stahl und Zement, schrumpfende Devisenreserven sowie der abnehmende internationale Handel durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise bzw. die Krise der Europäischen Union haben der Expansion der eigenen Wirtschaft zugesetzt. Durch drei Initiativen soll die chinesische Wirtschaft auf eine neue Stufe der industriellen Revolution gehoben werden und eine Vielzahl an Chancen auch für die Logistik- und Maritime Industrie schaffen. Es ist geplant, mittels der „One Belt, One Road Initiative“ die Märkte entlang von strategischen Handelsrouten zu entwickeln und auszubauen. „Internet Plus“ und „Made in China 2025“, die im 13.-Fünfjahresplan herausgestellt wurden, sollen den Fertigungsbereich fördern.

Made in China 2025
Das Strategiepapier „Made in China 2025“ skizziert Chinas Marschroute an die industrielle Weltspitze. Es wurde vom Land der Mitte als Antwort auf Deutschlands „Industrie 4.0“ in 2015 formuliert und vom Premier des Staatsrates Li Keqiang der Öffentlichkeit bekannt gegeben. China will den Innovationsbereich und die Qualität der Produkte massiv fördern. Weiterhin wird die Verlagerung der Ausrichtung auf eine Produktions- hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft weiter vorangetrieben. Laut European Chamber ist die deutsche Industrie 4.0 aber nur ein Teil der chinesischen Strategie. Mithilfe von Made in China 2025 soll die komplette Industrie restrukturiert und wettbewerbsfähiger gemacht werden. Die Verbesserung der Produktionstechnologie ist dabei nur ein Instrument. Weiterhin soll das Ausbildungssystem und die Förderung von Talenten verbessert werden. Generell ist geplant, die Struktur der Industrie zu optimieren und spätestens bis 2035 Energie, Materialverbrauch sowie Emissionen im Produktionsprozess internationalen Standards anzunähern. Durch Steigerung der Effizienz und der Integrität sollen chinesische Dienstleistungen und Produktion bis in die höchsten Bereiche der globalen Versorgungsketten vordringen. Der lokale Anteil von Schlüsselkomponenten und Materialien wird dabei von 40 Prozent in 2020 auf 70 Prozent in 2025 ansteigen.

Zehn Prioritätsbereiche
Neben den Hauptstrategien werden im Plan zehn Prioritätsbereiche hervorgehoben, die besondere Aufmerksamkeit erhalten: 1) Neue fortschrittliche IT, 2) numerische High End-Maschinen und -Robotik, 3) Luft- und Raumfahrttechnologie, 4) Meerestechnik und High Tech-Schiffsbau, 5) moderne Eisenbahntechnik, 6) energiesparende Fahrzeuge und Fahrzeuge mit neuartigem Energieantrieb, 7) Elektrische Ausrüstungen, 8) landwirtschaftliche Geräte, 9) neuartige Werkstoffe sowie 10) Biopharmazeutische Produkte und medizinische Geräte.

Laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat sich „China somit ehrgeizige Ziele gesetzt, die es wohl nur schwer ohne ausländische Unterstützung innerhalb des festgelegten Zeitrahmens erreichen kann.“ Hier liegen Ansatzpunkte für die deutsche, österreichische und schweizer Industrie.

Bis 2020 – so der Plan – werden 15 und bis 2025 sogar 40 Produktions-Innovationszentren geschaffen. „Diese Pilotzonen sollen das Programm vorantreiben und sich dann in Industrie-Cluster verwandeln, die als neue Wachstumszentren des Landes dienen“, sagte Premierminister Li Keqiang auf einer Sitzung des Staatsrats am 17. Mai 2017. Zwölf Städte haben bereits eine Zusage des Ministry of Industry and Information Technology erhalten, um diese Pilotzonen zu schaffen. Gemäß dem Premier werden industrielle Innovationen zusammen mit Internet Plus und ausgeweitetem Unternehmertum sowie Innovation und Made in China 2025 eine „neue industrielle Revolution“ fördern.

Welle von Neugründungen durch Internet Plus
Durch Internet Plus sollen Internet-Technologien wie Mobile Internet, Cloud Computing, Big Data und Internet of Things in traditionelle Industrien integriert werden, um den Informationsfluss sowie die Effizienz zu verbessern und die Kosten zu minimieren. Gleichzeitig sollen dadurch gemäß China Daily Internet-Start-Ups, E-Commerce und Internet Banking gefördert werden. Es ist also mit einer Welle von Neugründungen zu rechnen. In den letzten Jahren haben erfolgreiche Internetgiganten wie die Alibaba Group, Tencent Holdings (u.a. WeChat) und Baidu bereits zu Ablegerunternehmen ehemaliger Angestellter geführt. Junge Chinesen fühlen sich durch die Attraktivität und den schnellen Erfolg solcher Start-up-Gründungen zunehmend angezogen. Die Strategie soll ganze Wirtschaftsbereiche umwandeln und in China zudem die ruralen Gebiete des Landes in die Wirtschaft integrieren und transformieren.

Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. geht davon aus, dass „der chinesische Markt zunehmend wichtiger wird – nicht nur aufgrund der großen Anzahl der Konsumenten und Nutzer, sondern auch aufgrund der Möglichkeit innovative Technologien, Geschäftsmodelle und Nutzerverhalten der Zukunft von China zu erlernen. Zudem schauen chinesische Risikokapital-Investoren zunehmend  ins  Ausland z.B. nach Deutschland, um deutsche Modelle ins Land der Mitte zu bringen oder im deutschen Markt zu investieren.“ Bisher allerdings sind Verbindungen zwischen dem deutschen und chinesischen Start-Up-Markt aufgrund der kulturellen und sprachlichen Unterschiede noch gering. Künftig sollen aber Netzwerke für chinesische und deutsche Investoren, Start-Ups und Großfirmen gebildet werden. Dabei sind insbesondere die Verbindung von deutschen Industriefirmen und chinesischen Start-Ups, die Finanzierung durch Risikokapital in beiden Ländern und Austauschprogramme zwischen chinesischen und deutschen Start-Ups von Bedeutung.

Der österreichische Sourcing-Experte Manuel Becvar erklärt, dass „unter den physischen Produkten momentan Markenware und qualitativ hochwertige Artikel sehr gefragt sind. Das fängt bei Luxusgütern wie Uhren an, geht über deutsche bzw. schweizer elektronische Technologie wie z. B. Luftreiniger – da die Luft in den Großstädten so miserabel ist – und kann bis zu Baby-Nahrung reichen: Vor einigen Jahren gab es einen Baby-Nahrungs-Skandal um eine Chinesischen Marke.“ Becvar gibt zu bedenken, dass die Mittel- und Oberschicht im Land der Mitte rasant wächst.

Deutschen Firmen hilft Start-Up Factory China
Außer Einheimischen haben auch Akteure aus der ganzen Welt Interesse daran, die günstigen Rahmenbedingungen für Gründer in China zu nutzen, um das eigene Unternehmen auf dem chinesischen Markt zu platzieren. Die Start-Up Factory China mit Sitz in Kunshan nahe Shanghai, die sich den Slogan „Der Produktionsstandort für den deutschen Mittelstand in China“ auf die Fahnen schreibt, dient als Inkubator und unterstützt deutsche Firmen beim Aufbau von Gesellschaften und Produktionen im Land der Mitte.

Der Vizepräsident der chinesischen Suchmaschinen-Plattform Baidu, Li Mingyuan geht davon aus, dass lokale Dienste das neue „Schlachtfeld“ für Internetfirmen sind. Services auf die von zu Hause aus zugegriffen werden kann und die den Konsumenten Zeit einsparen, haben gemäß Mingyuan die größten Chancen. Dabei ist der Online-to-Offline-Bereich vielversprechend, da dieser auf die Bedürfnisse der Menschen fokussiert. Beispiele sind Taxi-Apps, Smart Shipping Services und spezialisierte soziale Plattformen. Mingyuan sieht die Zensur im Lande als größtes Hindernis für Internet Plus.

Veränderte Weltwirtschaft: One Belt, One Road-Initiative (OBOR)
Die dritte chinesische Initiative besitzt eine Dimension, die die ganze Weltwirtschaft verändern kann. Die „One Belt, One Road”-Initiative (OBOR), die der chinesische Präsident Xi Jinping ins Leben gerufen hat, bezieht sich auf eine Kombination des Wirtschaftsgürtels Seidenstraße (ein ökonomischer Korridor entlang des eurasischen Kontinents) und der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts (ein Netzwerk von maritimen Handelswegen, die Asien mit Afrika und Europa verbinden).

Laut Aussage der chinesischen Regierung haben bereits 65 Länder weltweit ihr Interesse an einer Mitarbeit bekundet, wodurch ein potenzieller Markt mit 4,4 Milliarden Menschen entstehen würde. Zu OBOR gehören sechs Wirtschaftskorridore: Der China-Mongolei-Russland Wirtschaftskorridor, die Neue Eurasische Landbrücke, der Zentralchina und Westasien Wirtschaftskorridor, der China-Indochinesische Halbinsel Wirtschaftskorridor, der China-Pakistan-Wirtschaftskorridor sowie der Bangladesch-China-Indien-Myanmar Wirtschaftskorridor. Bisher ist noch nicht geklärt, ob das Gesamtprojekt jemals umgesetzt werden kann, da bisher nicht gesichert ist, wer sich konkret an der Initiative beteiligen wird bzw. wer die Einzelprojekte finanzieren wird. Große Herausforderungen sind lokale Gesetzgebungen der Länder und wirtschaftliche Risiken, Währungsschwankungen sowie soziale Instabilität und die Unfähigkeit einiger Länder diese zu bekämpfen. An dieser Stelle möchten wir auf den bereits erschienenen Artikel „China: One Belt, One Road wird konkret“ verweisen, der im Logistik Express 2/2017 erschienen ist. (DK)

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