Ein einträgliches Gewerbe – Planenschlitzer

Neben der steigenden Cyberkriminalität sind Unternehmen noch von einer analogen Kriminalität bedroht. Auch sie nimmt zu.

Redaktion: Peter Baumgartner.

Frachtdiebstahl war schon immer ein blühendes Geschäft und ist es heute mehr denn je. Aus den einstigen Postkutschenräubern wurden inzwischen hoch spezialisierte IT-Verbrecher, für die selbst der Diebstahl eines ganzen Sattelschleppers zum Business gehört. Ein alltäglicher Alptraum für Trucker und Spediteure. In den USA, wo Florida die Hochburg der Frachtdiebe ist, wird der verursachte Schaden auf über 30 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. In der EU beträgt der jährliche Schaden vergleichsweise „nur“ 8,2 Mrd. Euro. Allein der Verband der deutschen Versicherungsanstalten schätzt, dass die Verluste durch Ladungsdiebstahl pro Jahr ca. 2,2 Milliarden Euro bei 26.000 betroffenen LKW betragen. In ihrem Cargo Crime Monitor hat die Transportsicherheitsorganisation TAPA (Transported Asset Protection Association) festgestellt, dass in Großbritannien europaweit die meisten Ladungsdiebstähle zu verzeichnen sind. Haupttatort sind immer ungesicherte Parkplätze, wo die Diebe entweder die LKW-Plane aufschlitzen oder die Tür aufbrechen, um an die Ladung zu kommen. Ende Jänner wurden an einem einzigen Rastplatz in Deutschland 40 LKW in einer Nacht Opfer von Planenschlitzern. Der höchste bisher gemeldete Einzelschaden beträgt 10 Mio. Euro. Sonst liegen die Einzelschäden meist unter 100.000 Euro. Aber selbst wenn keine Ladung gestohlen wird, allein der Ersatz einer beschädigten Plane kostet auch ein paar Tausend Euro. Laut TAPA war 2018 das Jahr mit den meisten Delikten in der 22-jährigen Statistik.

Der finanzielle Schaden bei einem Frachtdiebstahl ist allerdings nur ein Teil des Problems. Betroffene Transportfirmen können sehr schnell das Vertrauen ihrer Kunden verlieren und leicht geht die Qualitätsgarantie verloren. Grund genug für manche Geschädigte, den finanziellen Verlust lieber auf die eigene Kappe zu nehmen und Vorfälle geheim zu halten. Die Dunkelziffer beim Ladungsdiebstahl dürfte also nicht vernachlässigbar sein.

Die Sicherheitsfirmen haben zwar aufgerüstet und mittlerweile gibt es IT-Anwendungen, die der Prävention dienen und durch die Digitalisierung eröffnen sich immer neue Möglichkeiten, um das Leben der Diebe möglichst schwer zu machen. So gibt es zum Beispiel bereits praxistaugliche Tracker, die in Paletten eingebaut, den Datenaustausch jederzeit und selbständig garantieren. Überhaupt entwickelt sich langsam eine ganze Industrie um den Schutz vor Ladungsdiebstahl. Aber auch die Planenschlitzer rüsten auf. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass Diebe durch Störsender sogar Telefon und Polizeifunk lahmlegen können. Das Wettrennen um die beste Technik, je nach dem für oder gegen Diebstahl, ist eröffnet. Und der Kampf findet durchaus auf Augenhöhe statt, denn hinter den Dieben an der Front, stehen oft international tätige Organisationen.

Ein Hauch von Karibik auf der Wasserstraße.
Obwohl es in der Binnenschifffahrt auch immer wieder Übergriffe gibt, geht es hier doch meist um Treibstoffdiebstahl in osteuropäischen Staaten. Massengüter oder Container blieben bisher weitgehend verschont. Die Flussdiebe werden oft fälschlich als Piraten bezeichnet. Gewalt kommt aber kaum vor. Nicht selten arbeiten die Diebe mit der Schiffsbesatzung zusammen. Sind sich die „Vertragspartner“ einig, wechselt der Treibstoff aus den Tanks den Besitzer und wird gleich vor Ort am Schwarzmarkt verkauft. Es geht also mehr um Schmuggel, als um tatsächlichen Ladungsdiebstahl. Am Schaden ändert das allerdings nichts. Und die schwimmenden Diebe gehen nicht minder professionell, wie ihre „Kollegen“ bei den Planenschlitzern an Land vor. Eigens gebaute und hoch motorisierte Boote finden sogar bei Nacht und Nebel ihre „Kunden“. Behördliche Verfolgung müssen sie nicht fürchten, weil entweder die nächste Polizeistation weit entfernt ist und/oder einzelne Polizisten sogar wegschauen. Kleinere Banditen pumpen den Treibstoff einfach in Fässer oder Kanister, die sie auf den Booten stapeln. Leicht können so schnell 1000 Liter Diesel den Besitzer wechseln. Das serbische Handelsministerium beziffert den Schaden, der dem Budget durch den illegalen Treibstoffhandel entsteht, mit jährlich über 100 Mio. Euro. Nicht eingerechnet der Schaden, der sich bei Frächtern oder Reedereien summiert.

Zwar hat die Donaukommission bereits 2015 eine Empfehlung zur „Gefahrenabwehr in der Donauschifffahrt“ beschlossen, aber wie alles, was in der Donaukommission ausgebrütet wird, es kommt über wohlmeinende Empfehlungen nicht hinaus. Dabei wäre gerade die Donaukommission mit ihrer völkerrechtlichen Kompetenz geeignet, Gesamtlösungen zu verabschieden.

Nach 9/11 ist auf Druck der USA der Internationale Code zur Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen (International Ship and Port Facility Security Code ISPS-Code) entstanden. Die darin enthaltenen Sicherheitsvorschriften betreffen inzwischen auch die Binnenschifffahrt in Europa und verbessern die Sicherheit insbesondere in Hafenanlagen. Das heißt, nicht nur die Schiffe, sondern auch die Häfen müssen aufeinander abgestimmte Sicherheitsvorkehrungen treffen. Ursprünglich wurde ISPS zur Terrorabwehr entwickelt. Die strengen Zutrittskontrollen und Infrastrukturvorschriften wirken sich allerdings auch positiv auf den Ladungsdiebstahl aus. Also in Westeuropa und innerhalb geschützter Hafenanlagen haben es die Flussgauner schwer.

Soko Cargo.
2018 wurde von Deutschland aus den Planenschlitzern international der Kampf angesagt. Das EU-Projekt CARGO soll das Wissen und die Erfahrung über diese Art der Kriminalität bündeln und helfen, schneller handlungsfähig zu werden. Neben einigen deutschen Bundesländern, sind die Staaten Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Polen, Schweden und Tschechien beteiligt. Auch Österreich nimmt am Projekt teil, obwohl die Ereignisse in Österreich noch überschaubar sind. Vorerst läuft das Projekt zwei Jahre unter der Leitung des LKA Sachsen-Anhalt. Planenschlitzer agieren international. Deshalb ist das wichtigste Projektziel die länderübergreifende Bekämpfung der Ladungsdiebe durch entsprechenden Informationsaustausch und Kooperation. Auch ein eigener Deliktschlüssel Ladungsdiebstahl soll eingeführt werden, um eine wirksame Statistik entwickeln zu können. (PB)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 1/2019

 

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