Rohstoffnachfrage: Verfügbarkeit steht über allem

Der hohen Rohstoffnachfrage in der Industrie stehen nicht unberechenbare Lieferketten gegenüber. Mehr Lieferanten statt nur einen zu haben ist für produzierende Unternehmen das Gebot der Stunde.

Text: Redaktion.

Viele heimische Industrieunternehmen stehen derzeit in Sachen Logistik vor großen Herausforderungen. Nach den Behinderungen bei der Rohstoffbeschaffung infolge der Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg wurde offensichtlich, wie von einem Tag auf den anderen eingespielte Lieferketten zerbrechen können. War in der „normalen“ Vergangenheit meist der Preis das Maß aller Dinge, so hat sich das Blatt infolge gleich mehrer Krisen gewandelt, steht heute die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Transportkapazitäten eindeutig über dem Preis, so der Tenor in Industriekreisen.

„In der Inbound-Logistik müssen wir die Logistikketten vom Lieferanten bis zu unseren Werken weltweit aufrechterhalten. Bei Abweichungen wie Lieferausfällen müssen neue Wege gefunden und schnell bedient werden. Die Ukraine Krise erforderte zudem eine besonders rasche Umstellung von Lieferungen aus den betroffenen Regionen hin zu alternativen Quellen“, erklärt Christian Janecek, Geschäftsführer des Voestalpine-eigenen Logistik-Dienstleisters LogServ.

Im Outbound-Verkehr geht es um Sicherung von Transportressourcen, Reaktion auf tägliche Änderungen und professionelles Management von Ungewissheiten. Voestalpine Stahl benötigt pro Jahr an die 12 Mio. t Rohstoffe wie beispielsweise Eisenerz, Kohle, Schrott, Kalk, Legierungen, Metalle etc. Den Transport dieser Rohstoffe zu organisieren ist Job der LogServ gemeinsam mit ihrer Tochter CargoServ. Im Export gehen vom Linzer Werk jährlich rund 5 Mio. t Fertigprodukte wie etwa Coils oder Grobbleche in die Welt hinaus. Das Gros der Transporte von rund 55 Prozent erfolgt auf der Schiene, mit dem Lkw werden 35 Prozent transportiert und mit dem Binnenschiff rund zehn Prozent. Bei der Beschaffung der Rohstoffe setzt Voestalpine-Stahl auf Multiple-Sourcing oder zumindest Dual-Sourcing. „Da dies aber nicht immer und überall möglich ist gibt es auch wenige Single-Sourcing-Lieferanten“, merkt Markus Schinko, ebenfalls Geschäftsführer von LogServ an. Turbulente Lieferketten lassen sich seiner Meinung nach am besten beruhigen durch langjährige Partnerschaffen mit Lieferanten, innovativen Logistik-Konzepten wie beispielsweise mit dem Erz-Container-Shuttle und Nutzen eigener Assets, die im LogServ eigenen Bahnunternehmen CargoServ zur Verfügung stehen. Und Schinko betont: „Logistik ist kein reiner Kostenfaktor, sondern ein wichtiger Wettbewerbsfaktor“.

Im Werk Linz gibt es ein Rohstofflager wie es auch entlang der Logistikketten solche gibt. Janecek: „Die Verwerfungen in der Logistik in diesem Jahr wären ohne entsprechende Vorkehrungen nicht zu bewältigen gewesen. Die aufeinander abgestimmte Taktung der Rohstoffverkehre inklusive Lagermenge stellt die Versorgung sicher.“ Beide Manager wissen: Natürlich sind Transportpreise nach wie vor wichtig, doch Zuverlässigkeit und Logistik-Qualität sind nicht weniger wichtige Kriterien.

LogServ ist eine 100%ige Tochter der Voestalpine Stahl GmbH und organisiert als Logistikdienstleister der Steel Division des Voestalpine Konzerns jährlich den Transport von rund 68 Mio. t Cargo. Darunter fallen auch Werksverkehre sowie Importe und Exporte. Ein Teil der In- und Outbound-Verkehre werden durch die hauseigene CargoServ abgefahren, die über 13 eigene Lokomotiven verfügt. LogServ designt Logistikketten und kauft und managt die Transportdienstleistungen.

Außerhalb der Voestalpine betreut LogServ als Full-Service-Provider zahlreiche Industriekunden sowie im Bahnbereich Betreiber von Anschluss- und Werksbahnen, private Bahngesellschaften und Privatgüterwagenvermieter. Am Voestalpine-Standort in Linz betreibt LogServ Österreichs größte Anschlussbahn sowie einen eigenen Donauhafen mit entsprechenden Umschlagsanlagen.

Globalisierung stößt an ihre Grenzen.
Auch der Industriekonzern RHI Magnesita ist in der Inbound und Outbound-Logistik mit großen Herausforderungen konfrontiert. „In den letzten beiden Jahren waren die Verfügbarkeit von Schiffskapazitäten und verlängerte Durchlaufzeiten aufgrund von Aufhäufungen präsent“, berichtet Daniel Prutti, Head of Global Logistics bei RHI Magnesita, aus der täglichen Praxis. Aber auch das Niedrigwasser auf den Binnenwasserstraßen, Lagerkapazitäten in den Häfen, Preisvolatilität im Seefracht-und Verpackungsbereich sowie Konkurrenzfähigkeit von Bahnlösungen aufgrund gestiegener Energiekosten sind große Herausforderungen.

Die Auswahl der Dienstleister erfolgt nach einem holistischen „Total Cost of Ownership Modell“, und bei RHI Magnesita steht Choice & Value im Zentrum, „daher gibt es auf vielen Routen zwei bis drei Servicemodelle und Servicelevels. Transportdienstleistungen werden laufend innerhalb eines strikten Performancemanagements validiert und verbessert“, erklärt der Logistikmanager. RHI Magnesita betreibt Werke in verschiedenen Ländern und setzt dabei auf Multiple Sourcing sowohl beim Rohstoffeinkauf als auch bei der Wahl der logistischen Infrastruktur. Exporte werden z. B. via Koper, Hamburg, Bremerhaven, Rotterdam, Antwerpen oder Triest abgewickelt.

Prutti: „Bei der Auswahl der Transportdienstleister haben strategische Allianzen Vorrang, da vor allem im Seefrachtbereich die Marktmacht einiger weniger Reedereien signifikant ist.“ Die Absicherung der Lieferketten erfolgt ebenso durch strategische Allianzen, integrierte Planung (IBP), resiliente Transportrouten und ein optimiertes Produktionsnetzwerk. Rohstoffe werden in verpackter und unverpackter Form vorrangig aus Österreich, China, Brasilien und der Türkei lokal per Bahn oder Lkw und international auf Bulkschiffen und in Containern herbeigeschafft, Fertigprodukte hauptsächlich in verpackter Form transportiert. Seeseitig transportiert RHI Magnesita jährlich 40.000 bis 45.000 Container, wobei der intensivste Austausch zwischen Europa-USA, China-Indien und Europa-Indien erfolgt.

In Sachen Logistikdienstleister hat RHI Magnesita in diesem Jahr eine Allianz mit Kühne +Nagel, JAS und MSC gestartet. Strategisch gesteuert wird die Haus-Haus-Logistik aus den definierten Regionen China, Ostasien, Europa, CIS & Türkei, Indien, Westasien und Afrika sowie Nord-und Südamerika. RHI Magnesita betreibt eine Schmalspurbahn an seinem Standort Breitenau und einen Containerterminal in Hochfilzen. An diesem Standort wurden 2021 sämtliche Transporte von der Straße auf die Schiene verlagert. Um resilient zu sein, leistet man sich auch wieder ein gutes altes Pufferlager, um Störungen entgegenzuwirken.

Für Prutti hat die Globalisierung aktuell ihre Grenzen erreicht: „Wir stehen ein für eine intelligente Globalisierung, bei der ein regionaler Unterschied nicht gleich zu einem massiven Wettbewerbsnachteil wird.“ In Europa sollten die Energie sowie der CO2-Ausstoß vernünftig bepreist werden, damit die in Europa hergestellten Produkte für den Kunden günstiger sind als Waren aus Asien, so Prutti. (RED)

LOGISTIK express Ausgabe 5/2022

 

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