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Wo sich Spreu vom Weizen trennt

Wer die Nachrichten verfolgt, findet kaum positive Meldungen. Im Gegenteil, die Flüchtlingskrise stellt alles in den Schatten. Ganz heimlich wird TiSA im Hintergrund auf den Weg gebracht. Oh – und es gibt wieder Wahlen – auch wenn sie kaum jemanden interessieren. Ob sich das „Entlastungspaket für Unternehmen“ positiv auswirkt, wird sich weisen. Das Jahr wird herausfordernd!

Autorin: ANGELIKA GABOR

Was ist übrig vom „wir schaffen das“? Nicht viel. Ehrenamtliche Helfer rackern sich nach wie vor ab bei dem (hoffnungslosen) Versuch, all den Flüchtenden ein menschenwürdiges Dasein in Sicherheit zu ermöglichen. Wem kommen bei diesem Unterfangen noch Vergleiche mit Sisyphos in den Sinn? Auch der arbeitete unermüdlich – und ohne Aussicht auf ein Ende. Dabei sind diese unentgeltlichen Hilfsleistungen ein Segen für alle, nicht zuletzt für den Steuerzahler. Im Jahr 2015 wurden für die Versorgung 591 Millionen Euro aufgewendet. Dies beinhaltete neben der Grundversorgung unter anderem Transporte, Familienbeihilfen, Kosten für die Assistenz des Bundesheeres (wie gut, dass wir es noch haben!) und Deutschkurse. Nicht auszudenken, wie hoch dieser Betrag wäre, müssten die Freiwilligen mit einem fairen Stundenlohn vergütet werden. Laut Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurden 2015 rund 90.000 Asylanträge in Österreich gestellt. Bleibt der Durchschnitt von 38 Prozent positiven Bescheiden, bedeutet das, dass 34.200 dieser Menschen – hauptsächlich aus Syrien – in Österreich Asyl erhalten. Für 2016 werden im Innenministerium sogar 120.000 Asylanträge erwartet. Obwohl das BFA bereits Personal aufstockt, gibt es jetzt schon einen gewaltigen Rückstau bei der Bearbeitung. Die Menschen hängen fest, während sie auf den Bescheid warten. Und sind großteils zur Untätigkeit verdammt.

Wieviel ist zu viel?
Die Stimmen werden lauter, dass das „Boot Österreich“ voll ist, Obergrenzen bzw. Richtwerte werden genannt. Wie viele Menschen lassen sich in einem so kleinen Land wie Österreich integrieren? Werfen wir einen kurzen Blick in die Vergangenheit: laut UNHCR hat Österreich seit 1945 mehr als zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen, von denen rund 700.000 dauerhaft hier geblieben sind. Beispielsweise im Jahr 1992 nahm Österreich etwa 90.000 Flüchtlinge aus Bosnien auf – ohne großen Aufschrei – von denen sich rund 60.000 hier niederließen. Auch aus Ungarn, Kroatien, dem Kosovo, Tschetschenien usw. kam es im Zuge der Kriege und Vertreibungen immer wieder zu Fluchtbewegungen zu uns, und jedes Mal wurde den Menschen geholfen. Warum ist der Widerstand diesmal so enorm? Liegt es wirklich nur an der Religion? Übrigens haben bislang etwa drei Vierteil der Vertriebenen in ihren Nachbarländern oder Entwicklungsländern Zuflucht gesucht. Von den 4,3 Millionen (!) auf der Flucht befindlichen Menschen aus Syrien sind 2,1 Millionen im Irak, in Jordanien, in Ägypten und im Libanon.

Fakt ist, die Flüchtlingskrise hält Europa gefangen, die Politik ist teilweise in Schockstarre verfallen. Das kleine Österreich orientiert sich am „großen Bruder“ Deutschland. Wurden Länder wie Ungarn vor wenigen Wochen noch für ihre skandalös-menschenfeindliche Politik des Grenzen-Schließens verurteilt und ihre Regierung als rechtsradikal bezeichnet, stehen auch in Österreich schon „Türen mit Seitenteilen“ – wenn auch mit Lücken. Die einen sehen darin den einzigen Ausweg, die anderen die Rückkehr zum Nationalsozialismus. Eine aufgeheizte Debatte, in der vernünftige Positionen selten und praktikable Lösungen nicht vorhanden sind. Und warum? Weil es keine Lösung gibt, die alle zufrieden stellt. Natürlich könnte man sagen, jeder Flüchtling, der es in ein sicheres Land geschafft hat, kann bereits glücklich und zufrieden sein. Aber es liegt in der Natur des Menschen, das BESTE für sich und seine Familie zu wollen. Dass es Broschüren über Vor- und Nachteile, Rechte und Leistungen der verschiedenen Zielländer gibt, ist spätestens seit dem Bericht von Sky News im September 2015 bestätigt. Und ganz ehrlich, wenn ich die Wahl habe, niemanden kenne und keine der Landessprachen spreche, flüchte ich angesichts der Sozialstandards auch lieber nach Österreich als nach Rumänien. Andererseits ist die Arbeitslosigkeit in Österreich hoch, der Wirtschaftsmotor springt noch nicht an und die Angst vor Überfremdung und Islamisierung steigt nicht zuletzt aufgrund der Schreckensmeldungen über den Islamischen Staat. Verständlich, dass die „wir zuerst“ Rufe lauter werden, oder nicht? Für jeden Einzelnen, der abgelehnt und abgeschoben wird, bricht eine Welt zusammen. Aber noch schlimmer: das System Europa bricht zusammen. Ein fragiles System, das in den letzten Jahren auf Teufel-komm-raus erweitert wurde, auch wenn die neu aufgenommenen Länder teilweise noch gar nicht beitrittsreif waren – Stabilität um jeden Preis. Und den zahlen wir jetzt! Denn es gibt Uneinigkeit, Streit, jeder schiebt es auf den anderen, und Mehrheitsbeschlüsse der EU, um die Flüchtlingsströme zu verteilen, den Ländern zu helfen und vor allem konzentriert und entschlossen das Problem an der Wurzel – nämlich im Krisengebiet – zu packen, sind Utopie. Im Moment ist sich jeder selbst der Nächste. Auch wenn das heißt, Schengen außer Kraft zu setzen und dadurch die Exportwirtschaft massiv zu schädigen. England zieht auch gerade die Notbremse. Wir werden sehen, ob die Briten nach dem Referendum noch Teil des scheiternden Friedensprojektes „vereintes Europa“ sein wollen. Hängt davon ab, wieviel mehr Extra-Würste sie sich noch herausnehmen dürfen. In der Zwischenzeit darf die deutsche Kanzlerin wählen, ob sie sich von ihrer einseitigen Willkommenspolitik oder von ihrem Kanzlerstatus verabschieden möchte.

Schreckgespenst TiSA
Während das Freihandelsabkommen TTIP langsam seinen Bekanntheitsgrad steigert, blüht TiSA eher im Verborgenen. Wenn wir nicht aufpassen, wird es jedoch in Bälde zur fleischfressenden Pflanze, gegen die „Audrey II“ wie eine Rose anmutet (wer Audrey nicht kennt, sollte sich mal den „Little shop of horrors“ ansehen). Am 18.1.2016 verabschiedete der EU-parlamentarische Handelsausschuss (INTA) einen Entwurf für die Resolution des EU-Parlaments an die verhandelnde Kommission hinsichtlich des Abkommens, das eine Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen vorsieht. Dieser Entwurf beinhaltet „rote Linien“ für die Verhandlungen. Glaubt man dem Ausschuss-Mitglied Viviane Reding (EVP), soll TiSA öffentliche Dienstleistungen, Kultur, Arbeitsrecht, Regulierungsmöglichkeiten, Umweltstandards sowie Konsumenten- und Datenschutz nicht untergraben dürfen – das sei auch die Empfehlung des Parlamentes. Allerdings würde dies eine massive Änderung der Verhandlungsposition der EU-Kommission bedeuten, so müsste beispielsweise vom „Negativlistenansatz“ samt „Sperrklinken“ (wie er dummerweise auch bei TTIP verwendet wird) wieder zum Standardverhandlungsansatz „Positivliste“ zurückgekehrt werden. Die Gefahr ist ein fauler Kompromiss, um das Abkommen vielleicht sogar noch in diesem Jahr durchzudrücken. Es gibt nicht nur einen Großkonzern auf der Welt, der sich beispielsweise gern die Rechte an der öffentlichen Wasserversorgung sichern würde … Kommen wir zurück zu England: allein im ersten Jahrzehnt nach der Privatisierung der Wasserversorgung sind dort die Preise inflationsbereinigt um 40 Prozent nach oben geklettert, gleichzeitig hat sich die Infrastruktur durch fehlende Investitionen verschlechtert. Wenn man sich aussuchen kann, ob man das Geld den Aktionären gibt oder Lecks in Wasserrohren flickt, sind die Aktionäre wohl wichtiger.

Entlastung?
Ende Jänner präsentierten Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und WB Landesobmann Präsident Christoph Leitl ein Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft, das schrittweise bis Ende 2016 umgesetzt werden soll. Der Inhalt: Weniger Vorschriften und Staat, mehr Freiheit für Bürger und Betriebe. Fünf Punkte umfasst das Programm, das die Unternehmer entlasten und das Wirtschaftswachstum fördern soll. Die Abschaffung des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafrecht bedeutet geringere Geldstrafen, damit kleine Fehler sich nicht gleich existenzbedrohend auswirken (dass die aktuelle politische und wirtschaftliche Situation im Allgemeinen eher existenzbedrohend ist, steht auf einem anderen Blatt). Unternehmensgründungen sollen schneller, flexibler und billiger werden. Im Jahr 2015 wagten 29.561 Neugründer den Schritt in Selbständigkeit (+4,8 % zu 2014), dem gegenüber standen laut KSV 1870 5.150 Firmeninsolvenzen (-5 %). Praktisch: die Bezirkshauptmannschaft soll als „One-Stop-Shop“ agieren, um Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und vor allem auch zu beschleunigen. Die Informations-und Meldepflichten werden ebenfalls reduziert. Die 5. Maßnahme wird für manche Politiker, die sich besonders über Lob freuen, schwierig umzusetzen. Sie sieht vor, „Golden Plating“ zu vermeiden und EU-Regulierungen nicht in vorauseilendem Gehorsam überschießend zu erfüllen. Insgesamt betrachtet, sind diese Maßnahmen sicherlich nett – aber noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss. Österreich verliert im Ranking der attraktivsten Wirtschaftsstandorte von Jahr zu Jahr an Boden. Insbesondere der Fachkräftemangel wirft uns zurück. Wir haben zwar viele Arbeitslose, aber die können scheinbar alle das Falsche. Bleibt zu hoffen, dass sich die Lohnsteuersenkung positiv auf die Kaufkraft auswirkt. Denn noch lieber als zu produzieren ist den Unternehmen nur eines: ihre Produkte auch zu verkaufen.

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