Wolfram Senger-Weiss: „Grün“ transportieren kostet Geld

Viel wird über grüne Logistik geredet, doch wenige wollen dafür bezahlen. Wolfram Senger-Weiss, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Gebrüder Weiss, über Dekarbonisierung, Pandemie, Verkehrsverlagerung, alternative Antriebe und weitere Expansion.

Text: Redaktion.

Herr Senger-Weiss, das Verkehrsministerium hat Ende 2021 mit der Erarbeitung eines österreichischen Masterplans für den Güterverkehr begonnen. Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf Schiff und Bahn wird darin propagiert. Welche Erwartungen haben Sie an diesen Masterplan?
Senger-Weiss: Die Schiene wird sicher wichtiger und hat auf längeren Distanzen ihre Vorteile. Bei Gebrüder Weiss verlagern wir bereits seit Jahren Straßentransporte auf die Schiene: Mit dem Orange Combi Cargo haben wir einen Ganzzug, der täglich zwischen Ost- und Westösterreich pendelt und damit jährlich rund 9.000 Tonnen CO2 einspart. Auch haben wir beispielsweise regelmäßige Zugverbindungen zwischen Österreich und diversen Häfen. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass nur gewisse Warentypen und Transportanforderungen für eine Verlagerung geeignet sind.

Wie denken Sie, lassen sich Umweltinteressen und Interessen der Wirtschaft im Blickfeld auf das Jahr 2050 unter einen Hut bringen?
Senger-Weiss: Die Ökologie folgt der Ökonomie oder anders ausgedrückt: Grüne Logistik kostet Geld. Die höheren Kosten will aber bisher kaum jemand bezahlen. Wenn wir die Ökologisierung des Transports vorantreiben wollen, benötigen die Unternehmen Investitionssicherheit und Förderungen, bis wettbewerbsfähige Lösungen verfügbar sind. Hier ist die Politik gefordert, realistische Bilder zu zeichnen, technologieoffen zu sein und gemeinsam mit den Betrieben an Lösungen zu arbeiten.

Wir als Gebrüder Weiss bekennen uns klar zu nachhaltigen Zielen: Wir testen bei unserer Fahrzeugflotte alternative Antriebe mit Gas, Strom und Wasserstoff und wollen unsere eigenen Logistikanlagen bis 2030 mit Solarstrom klimaneutral betreiben. Unseren Kunden bieten wir mit unserem „zero-emissions“-Service die Möglichkeit, den CO2-Ausstoß jeder logistischen Leistung durch einen Mehrbetrag zu kompensieren. Dieser fließt dann in zertifizierte Klimaschutzprojekte.

Der Lkw wird gern und oft als klimaschädigend angefeindet. Welche alternative Lkw-Antriebstechnologien haben gute Chancen, aus dem „klimafeindlichen“ Lkw einen „klimafreundlichen“ zu machen?
Senger-Weiss: Elektro-Lkw sind in der Zustellung, speziell im urbanen Raum eine gute Lösung, nicht aber für den Schwerlastverkehr auf der Langstrecke. Grundsätzlich ist die E-Mobilität, auf die sich die österreichische Politik fokussiert hat, in der Logistik kein Allheilmittel. Bei schweren Lkw gibt es noch wenig serienreife Fahrzeuge mit nachhaltigen Antriebsformen. Auch braucht es dazu eine entsprechend passende Tankinfrastruktur und Service-Organisation. Vielversprechend ist die Wasserstoff-Technologie, die Gebrüder Weiss in der Schweiz als eines der ersten Unternehmen seit nun einem Jahr mit großem Erfolg im Einsatz hat. Wichtig ist, dass wir gemeinsam mit unseren Kunden aus den Praxiserfahrungen lernen. Welche Technologie sich letztendlich durchsetzen wird, ist aktuell noch nicht klar.

Wie läuft derzeit das Geschäft bei Gebrüder Weiss und welche Pläne verfolgen Sie für die nahe Zukunft?
Senger-Weiss: Die Themen Lieferverzögerungen, Frachtraumknappheit und volatile und stark gestiegene Preise bei den Frachtraten haben uns länger begleitet als gehofft. Eine Erleichterung ist auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Grundsätzlich aber fällt unser Rückblick auf 2021 zufriedenstellend aus. Wir konnten als Unternehmen viele strategische Themen umsetzen, gerade im Hinblick auf unsere internationale Netzwerkverdichtung sowie in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit, sprich alternative Antriebe und anvisierte Klimaneutralität unserer Logistikanlagen bis 2030.

Wir werden unsere Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit weiter intensivieren – Stichwort alternative Antriebe – und unseren Weg Richtung Klimaneutralität durch Investitionen in Solaranlagen an unseren Standorten fortsetzen. Zugleich sind wir mit steigenden Kosten und Inflation konfrontiert – auch Green Logistics kostet Geld. Und diese Kosten müssen wir entsprechend an unsere Kunden weitergeben. Das ist kein einfacher und angenehmer, aber ein notwendiger Prozess. Weitere Entwicklungsschritte haben wir 2022 außerdem in Süddeutschland und den USA geplant, wo wir uns noch verstärken und weiterentwickeln möchten.

Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf die verschiedenen Bereiche in Ihrem Unternehmen?
Senger-Weiss: Die Corona-Pandemie hat unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen viel Flexibilität und hohe Einsatzbereitschaft abverlangt. Der Aufwand der Abwicklung ist durchwegs gestiegen, teilweise auch das Sendungsaufkommen, besonders im Paket- und Home Delivery-Bereich. Die Situation in der Luft- und Seefracht war und ist herausfordernd. Das alles wurde hervorragend gemeistert. Vor allem der operative Bereich war dauerhaft unter den erschwerten Bedingungen gefordert.

Experten prognostizieren für die globale Logistik-Welt Logistik-Welt einen großen Wandel weg von der menschlichen Arbeit hin zu einer vollständigen Automatisierung. Sehen Sie auch eine solche Entwicklung und was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Senger-Weiss: Die Digitalisierung ist seit vielen Jahren fest in der Logistik verankert und nicht mehr wegzudenken. Bei Gebrüder Weiss haben wir mit der Einführung des Kundenportals myGW einen wichtigen Meilenstein erzielt: Diese digitale Plattform liefert den Kunden auf Knopfdruck Echtzeitinformationen zu ihren Warenströmen, die gesamte Kommunikation kann online abgewickelt werden.

Insgesamt ein deutlicher Mehrwehrt: mehr Transparenz, höhere Planbarkeit, besserer Informationsfluss und größere Zeitersparnis. Aber: Solche digitalen Maßnahmen müssen auch durch operative Servicequalität gestützt werden. Deshalb investieren wir sowohl in digitale Technologien als auch in die „physische“ Leistungsfähigkeit unseres Unternehmens. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass Logistik ein „people’s business“ ist und auf absehbare Zeit auch bleiben wird. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2022


 

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